Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz MV 23. März 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 7 Verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | LAG DIR (dort beschlossen am: 22.03.2019) |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 01.04.2019, 16:55 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V3NEU: Für ein rechtsstaatliches Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern
Antragstext
Für ein rechtsstaatliches Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern
Mecklenburg-Vorpommern ist ein sicheres Bundesland
Die Gesamtzahl der Straftaten, die in Mecklenburg-Vorpommern in der
polizeilichen Kriminalstatistik erfasst werden, geht seit Jahren zurück. Die im
April 2018 vorgestellte Statistik für das Jahr 2017 verzeichnete die niedrigste
Fallzahl und die geringste Kriminalitätsbelastung pro Einwohner für unser
Bundesland seit Bestehen der Statistik. Alles deutet darauf hin, dass sich
dieser Trend fortsetzt.
Innenminister nutzt Sicherheitsdebatte zum Abbau von Bürgerrechten
Dennoch hat Innenminister Lorenz Caffier (CDU) den Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in die Verbandsanhörung gegeben,
der neue Befugnisse für die Polizei unseres Bundeslandes vorsieht und die
bestehenden Eingriffshürden deutlich absenkt. Der Minister nutzt dabei mit der
Novellierung des Polizeigesetzes die allgegenwärtige Sicherheitsdebatte und baut
systematisch Bürgerrechte ab. Nach Angaben von Caffier werden Polizei und
Ordnungsbehörden "zukünftig in weiteren Bereichen präventiv handeln können, in
denen es ihnen bisher nicht möglich war und bevor eine Straftat begangen wird."
Das spricht dafür, dass der Anknüpfungspunkt für polizeiliches Handeln weiter in
das Gefahrenvorfeld verlagert werden soll.
Bürgerrechte dürfen nicht ausgehebelt werden
Ohne Zweifel: Mecklenburg-Vorpommern braucht eine bürgernahe, transparente,
effektive und qualifizierte Arbeit der Polizei und der Gefahrenabwehrbehörden.
Dabei dürfen Bürgerrechte jedoch nicht ausgehebelt werden. Ausufernde
Überwachungsmaßnahmen wie die geplante Einführung von Quellen-
Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und Online-Durchsuchung stellen
letztlich eine Erlaubnis zum staatlichen Hacken dar. Solche Eingriffe in die
Integrität von IT-Systemen dürfen nicht Grundlage staatlichen Handelns werden.
Daneben werden bereits bestehende Befugnisse erweitert, um noch mehr Daten zu
sammeln, etwa durch einen Ausbau der Videoüberwachung. Dadurch werden immer mehr
Unbeteiligte betroffen. All diese Maßnahmen bedrohen unseren demokratischen und
liberalen Rechtsstaat.
Ein lückenhafter Caffier ist nicht die Antwort auf das digitale Zeitalter
Lorenz Caffier meint, sein Gesetzentwurf sei die "Antwort auf das digitale
Zeitalter". Das Gegenteil ist der Fall. Nach allem, was wir wissen, schafft
dieser Gesetzentwurf mehr Sicherheitslücken, als er schließt. Statt solche
Softwarebugs zu beseitigen, nutzt der Staat diese aus und nimmt damit eine
massive Gefährdung der Bürgerinnen und Bürger in Kauf.
Eine Antwort auf das digitale Zeitalter wäre aber nicht weniger, sondern mehr
Sicherheit für IT-Systeme. Daran sollte das Innenministerium arbeiten und nicht
an der Schaffung neuer Befugnisse für die Landespolizei, die angesichts der
vielfach kritisierten Aufnahme von Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung in das
Bundeskriminalamtgesetz im Übrigen auch nicht mehr notwendig sind.
Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wenden uns gegen
- die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Online-Durchsuchung im
Sicherheits- und Ordnungsgesetz. Bei diesem verdeckten Zugriff auf private
Laptops und PCs handelt es sich um einen Eingriff in die Integrität und
Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme, gegen den sich der über die
Menschenwürde absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht
verteidigen lässt.
- die Einführung der Quellen-TKÜ in Mecklenburg-Vorpommern. Bei dieser
Sonderform der Telekommunikationsüberwachung wird auf dem Laptop oder PC, mit
dem die zu überwachende Kommunikation getätigt wird, eine Software installiert,
die die Kommunikation vor einer etwaigen Verschlüsselung mitschneidet und an die
Polizei übermittelt. Auch hier wird in einen geschützten Kernbereich privater
Lebensgestaltung eingedrungen. Damit werden elementare Bürgerrechte beschnitten.
- eine weitere Verlagerung des polizeilichen Handelns in das Gefahrenvorfeld.
Das Konzept der "drohenden Gefahr" lehnen wir ab. Als "Gefahr einer Gefahr"
stellt diese keine hinreichend klare Voraussetzung für polizeiliches Handeln
dar.
- eine unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung begründete Ausweitung von
Vorfeldmaßnahmen auf andere Bereiche, die keine schwerwiegende Gefährdung von
Leib und Leben darstellen.
Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern die Landesregierung dazu auf,
- den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes
endlich zu veröffentlichen und so eine gesamtgesellschaftliche Debatte zu
ermöglichen,
- am Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit als Anknüpfungspunkt für
polizeiliches Handeln festzuhalten,
- das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamtgesetz nicht zum
Vorwand für die Ausweitung von Vorfeldmaßnahmen zu nehmen, sondern lediglich
verfassungswidrige Vorschriften im Sicherheits- und Ordnungsgesetz zu
korrigieren,
- die europäische Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke
der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten (JI-
Richtlinie) mit ihren Mindeststandards für Datenverarbeitungen durch Polizei und
Justiz konsequent in innerstaatliches Recht umzusetzen. Das muss die darin
vorgesehenen Kontrollbefugnisse für den Landesbeauftragten für Datenschutz und
Informationsfreiheit einschließen und
- den Rechtsanwendern den sachgerechten Umgang mit den neuen Rechtsvorschriften
durch eine klare Abgrenzung der Anwendungsbereiche von JI-Richtlinie einerseits
und Datenschutzgrundverordnung andererseits zu erleichtern.
Für einen freiheitlichen und starken Rechtsstaat
Wir Grüne stehen für einen freiheitlichen und damit starken Rechtsstaat, denn
nur der gewährleistet Sicherheit. Mecklenburg-Vorpommern soll für alle Menschen,
die hier leben, ein sicheres Land bleiben. Wir wollen eine zielgerichtete und
dadurch effektive Gefahrenabwehr. Darüber hinaus brauchen wir ein weitergehendes
Verständnis von Sicherheitspolitik, das Prävention, Bildung, Radikalisierung,
Klimaschutzpolitik, kriminalitätsmindernde städtebauliche Veränderungen und
Entwicklungszusammenarbeit umfasst. Symbolpolitik und Populismus à la Lorenz
Caffier gefährden das Vertrauen in den Rechtsstaat und sind fehl am Platze!
Begründung
Die Begründung wird nachgereicht.
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