Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz MV 23. März 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 7 Verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Landwirtschaft und Naturschutz (dort beschlossen am: 20.02.2019) |
Status: | Eingereicht (ungeprüft) |
Eingereicht: | 02.04.2019, 14:09 |
Antragshistorie: |
V4NEU: Für eine gerechte und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik für Mecklenburg-Vorpommern
Antragstext
Boden ist gleichzeitig die Grundlage unserer Nahrungsmittelproduktion, übernimmt
essentielle Funktionen im Umwelt- und Klimaschutz, filtert Schadstoffe, reinigt
das Grundwasser und bietet Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Er speichert große
Mengen an Kohlenstoff und puffert damit den Klimawandel ab. Böden sind
Landschaftsarchiv, Siedlungsraum und Produktionsmittel für Landwirt*innen.
Unsere Böden sind in einem erdgeschichtlich extrem kurzen Zeitraum nach der
letzten Eiszeit entstanden – ein Jahrhundert der Flächenversiegelung, der
Entwässerung und der zunehmend technisch-industrialisierten Landwirtschaft haben
gereicht, um große Flächen zu schädigen und ihrer Funktionen zu berauben.
Zerstörte Bodengefüge und mit ihnen die Bodenfruchtbarkeit lassen sich kaum
wieder regenerieren. Boden ist eine endliche Ressource – Bodenschutz ist daher
echte Daseinsvorsorge!
Im Hinblick auf die immense Bedeutung der Böden ist die Verteilung von Grund und
Boden maßgeblich für eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung. Diese und die
Eigentumsverteilung unterliegen in Deutschland einem starken Wandel. Die nach
wie vor fortschreitende Flächenversiegelung und der großfläche Aufkauf von
Ackerland durch Kapitalanleger führen zu einer Verknappung der Ressource Boden.
Rasant steigende Bodenpreise beschleunigen den Strukturwandel im Agrarsektor und
verändern die sozioökonomischen Verhältnisse im ländlichen Raum, indem sie z.B.
Existenzgründer*innen den Einstieg in die Landwirtschaft fast unmöglich machen.
So haben sich beispielsweise die Preise für Ackerland in Mecklenburg-Vorpommern
seit 2006 mehr als vervierfacht. Selbst etablierte Betriebe können die aktuellen
Bodenpreise oft nicht mehr aus eigener Kraft bezahlen und begeben sich in
Abhängigkeit von Anteilseignern und Banken. Wenige Großbetriebe bewirtschaften
zunehmend große Agrarflächen mit weniger festen Arbeitskräften und mehr
Lohnarbeiter*Innen. Eine unter intensivem Preiswettbewerb und
Rationalisierungszwang stehende Landbewirtschaftung schädigt die ökologischen
Funktionen und damit auch das Ertragspotenzial des Bodens häufig irreversibel.
“Wachsen oder Weichen” - diese Entwicklung der letzten Jahre setzt vor allem
kleine und mittelgroße Betriebe unter Druck. Mit einer durchschnittlichen
Flächenausstattung von 274,9 ha ist Mecklenburg Vorpommern bundesweiter
Spitzenreiter bei den landwirtschaftlichen Betriebsgrößen (Bundesdurchschnitt:
61 ha, Quelle BMEL 2017). Bei den Betrieben handelt es sich vorrangig um
Ackerbaubetriebe mit bezogen auf die Fläche geringer Bruttowertschöpfung und
geringen Beschäftigtenzahlen (im Mittel 1,3 Arbeitskräfte je 100 ha
Betriebsfläche; vgl Dtl. 3,1 Arbeitskräfte/100 ha; Quelle: Klüter 2017).
Landwirtschaftsbetriebe in Mecklenburg- Vorpommern sind zudem im besonderen Maße
von Anteilskäufen überregionaler Investoren betroffen. Inzwischen liegt die
Kapitalmehrheit in 41% der Agrarbetriebe in den Händen überregionaler
Investoren, darunter viele finanzstarke Kapitalanleger aus anderen Branchen.
Überregionale Investoren haben mittlerweile Zugriff auf 34% der
Landwirtschaftsfläche (Thünen-Report 52. Tietz, 2017). Auch hier ist
Mecklenburg-Vorpommern bundesweiter Spitzenreiter mit der Folge, dass Gewinne
vermehrt in andere Regionen abfließen und hiesige ländliche Räume zunehmend
verarmen. Diese Zusammenhänge schlagen sich auch im Landschaftsbild nieder:
Mecklenburg-Vorpommern ist in weiten Teilen geprägt durch eine intensiv
bewirtschaftete, ausgeräumte und artenarme Agrarlandschaft. Diese
agrarstrukturelle Entwicklung mitsamt ihrer nachteiligen Folgen für Mensch und
Umwelt wird gegenwärtig durch Schlupflöcher im Grundstückverkehrs- und
Steuerrecht befördert und durch die überwiegend flächengebundene Auszahlung der
EU-Agrarsubventionen verschärft.
Bündnisgrünes Leitbild Bodenpolitik
Unser Ziel ist der Erhalt einer vielgestaltigen Struktur bäuerlich
wirtschaftender Betriebe oder Betriebsgemeinschaften. Bündnisgrüne Bodenpolitik
schafft den Rahmen für eine regional verankerte und ökologisch, sozial und
wirtschaftlich nachhaltig agierende Landwirtschaft. Dabei erkennen wir an, dass
eine leistungsfähige, nachhaltige Landbewirtschaftung nicht per se an die
Betriebsgröße gekoppelt ist. Speziell in Mecklenburg-Vorpommern sind große
Betriebe seit Jahrzehnten charakteristisch für den ländlichen Raum und oftmals
fest in der dörflichen Lebenskultur verankert. Allerdings streben wir eine
Diversifizierung von Betriebsgrößen und landwirtschaftlichen Einkommensquellen
an. Die Bodenvergabe muss transparent und fair erfolgen und an gesellschaftliche
Leistungen wie etwa den Schutz von Boden, Gewässern und Klima gekoppelt sein.
Durch eine breite Streuung der Eigentumsverhältnisse und der Förderung von
Junglandwirt*innen sowie kleiner und mittelgroßer Betriebe sollen die
Lebensverhältnisse im ländlichen Raum verbessert werden. Kommunen, Kreise und
das Land Mecklenburg-Vorpommern sollen deshalb eine gemeinwohlorientierte
Bodenpolitik betreiben. Für jetzige und künftige Aufgaben der Daseinsvorsorge
sollen sie ihren Grundstücksbesitz erhalten und mehren - Boden darf nicht länger
als Spekulationsobjekt auf Kosten der Allgemeinheit dienen! Eine Veräußerung
ihrer Flächen darf nur die Ausnahme sein und bedarf der Begründung eines
besonderen öffentlichen Interesses. Regional verankerte Akteure, eine Vielfalt
an landwirtschaftlichen Unternehmen, regionale Wirtschaftskreisläufe und damit
die Wertschöpfung vor Ort müssen gestärkt werden. Innovationen und positive
Entwicklungen sind nur möglich mit funktionierenden Regionen und Raum zur
Entfaltung!
Konkret schlagen wir folgende Maßnahmen vor:
Land- und forstwirtschaftliche Flächen der öffentlichen Hand sind
grundsätzlich nur im Erbbaurecht bzw. als Pachtland zu vergeben. Die
Vergabe soll nach Nachhaltigkeitskriterien und nicht nach Höchstgebot
erfolgen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist größter Landbesitzer unseres
Bundeslandes und kann alleine auf seinen eigenen Flächen eine Menge
bewegen und Entwicklungen anschieben! Klare Vergaberichtlinien bei
Neuverpachtungen landwirtschaftlicher Flächen aus öffentlicher Hand müssen
eingeführt werden, um eine nachhaltige Flächenbewirtschaftung,
tiergerechte Haltung und die Berücksichtigung der Belange des
Klimaschutzes und der Biodiversität sicherzustellen.
Das Grundstückverkehrsgesetz und das Landpachtverkehrsgesetz liegen nach
der Föderalismusreform in der Hoheit der Bundesländer. Das Land soll seine
Gesetzgebungskompetenz im landwirtschaftlichen Bodenrecht konsequent
nutzen. Notwendig ist eine ambitionierte und nach Möglichkeit
ländereinheitliche Überarbeitung desGrundstückverkehrsrechts:
Reichssiedlungsgesetz, Landpachtgesetz und Grundstücksverkehrsgesetz
müssen durch ein Agrarstrukturverbesserungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern
abgelöst werden. Vergleichbare Vorstöße dazu gibt es bereits aus
Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
Wesentliche Punkte dabei sind:
a) Schaffung eines Vorkaufsrechtsfür die öffentliche Hand und gemeinnützige
Genossenschaften
b) Genehmigungspflicht für alle Verkäufe größer als 1 ha
c) Zur Dämpfung des Preisanstiegs für landwirtschaftliche Böden soll eine Kauf-
und Pachtpreisbremse eingeführt werden. Analog zur Mietpreisbremse soll sich
diese am marktüblichen lokalen Wert für Grund und Boden orientieren.
d) Einführung einer Konzentrationsobergrenze und eines Konzentrationsvorbehalts
für die Genehmigung von Verkauf und Verpachtung. Derartige Regulierungen des
Bodenmarktes sind auch verfassungsrechtlich gefordert: Das
Bundesverfassungsgericht urteilte bereits 1967, dass die Nutzung von Boden nicht
vollständig dem Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen
überlassen werden dürfte. Im Sinne einer gerechten Rechts- und
Gesellschaftsordnung müssen die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit
stärkerem Maße zur Geltung gebracht werden als bei anderen Vermögensgütern.
e) Wir wollen, dass Junglandwirt*Innen, Neueinsteiger*Innen und
Betriebsneugründungen, die Land- und Forstwirtschaft nachhaltig betreiben
wollen, gezielt gefördert werden und bevorzugt Zugriff auf Land erhalten. Zum
Vergleich: Die Niederlande haben einen dreistelligen Millionenbetrag für ein
Förderprogramm zum Ankauf landwirtschaftlicher Flächen für Quereinsteiger*Innen
und Neugründer*Innen zur Verfügung gestellt. Neue Ideen und Konzepte wie
genossenschaftliches Landeigentum mit Kapital von interessierten Bürger*Innen
sollen besonders gefördert werden (z.B. Solidarische Landwirtschaft).
Es ist ein transparenter und fairer Grundstücksmarkt zu schaffen.
Eigentümer mit ihrem landwirtschaftlichen Grundbesitz müssen ebenso
statistisch erfasst werden wie die Beteiligung von Agrarbetrieben an
weiteren oder die Zugehörigkeit zu anderen Unternehmen. Anteils(ver)käufe
(so genannte “Share Deals”), die durch Veräußerung und Aufteilung
grundstücksbesitzender Gesellschaften die Grunderwerbssteuer umgehen und
die tatsächlichen Eigentümer verschleiern, sind offenzulegen und
angemessen zu besteuern. Das Land Mecklenburg-Vorpommern soll mit einer
Bundesratsinitiative anstreben, die Gesetzeslage dahingehend zu ändern,
dass auch bei Share Deals die Grunderwerbssteuer fällig wird. Die
vorhandenen Spielräume sind durch das Land Mecklenburg-Vorpommern
auszuschöpfen, indem die bisherige Erwerbsteuerfreiheitsgrenze bis zur
zulässigen Untergrenze abzusenken ist.
Für die restlichen Flächen der Bodenverwertungs- und -
verwaltungsgesellschaft (BVVG) sollte es ein Verkaufsmoratorium geben. Die
verbleibenden ca. 41.400 Hektar landwirtschaftliche Fläche in Mecklenburg-
Vorpommern sollen an die öffentliche Hand übertragen werden.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern soll eine Bundesratsinitiative unternehmen, um
den nationalen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der EU-Agrarsubventionen voll
auszuschöpfen. 30% der flächenbezogenen EU-Direktzahlungen können an kleinere
Betriebe umverteilt werden. Zudem können 15% der flächenbezogenen EU-
Direktzahlungen zur Honorierung gesellschaftlicher Leistungen umgewidmet werden.
Für Details wird auf die vorliegenden BDK- und LDK-Beschlüsse zur
Weiterentwicklung der EU-Agrarförderung verwiesen.
Mit jedem weiteren Verkauf von Land oder Anteilen schwindet der Einfluss und
werden Fakten für Jahrzehnte geschaffen! Mecklenburg-Vorpommern hat viele
ungenutzte Potentiale zur Gestaltung einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik.
Wir GRÜNEN wollen sie schnellstmöglich nutzen – es gibt keine Zeit zu verlieren!
--- *Quelle: Thünen-Report 52, Studie „Überregional aktive Kapitaleigentümer in
ostdeutschen Agrarunternehmen: Entwicklungen bis 2017“,
www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen-Report_52.pdf Klüter,
Helmut, 2017-02-02: Die Landwirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns im Vergleich mit
anderen Bundesländern. In: Greifswalder Geographische Arbeiten; 2016,53, DOI
http://hdl.handle.net/11858/00-1735-0000-002C-AF0D-7. Bundesministerium für
Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Daten und Fakten Land-, Forst- und
Ernährungswirtschaft mit Fischerei und Wein- und Gartenbau. Stand 2017. Referat
121 11055 Berlin.https://gruenlink.de/1kvh
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