Veranstaltung: | Landesdelegiertenkonferenz MV 23. März 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 7 Verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Energie (dort beschlossen am: 17.01.2019) |
Status: | Angenommen |
Beschlossen am: | 23.03.2019 |
Eingereicht: | 22.02.2019, 19:05 |
V5: Keine Ausweitung der Atommülllagerung in Lubmin – eine neue Atompolitik für Mecklenburg-Vorpommern!
Antragstext
Die Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern
stellt fest:
- Lubmin am sensiblen Naturraum Greifswalder Bodden zwischen Rügen und
Usedom ist als Endlagerstandort für Atommüll völlig ungeeignet.
- Die Bundesregierung hat bis heute kein Konzept für die Zwischenlagerung
des hochradioaktiven Atommülls. Die bundesweite Suche nach einem Endlager
hat begonnen.
- Konzepterstellung und Umsetzung des Neubaus einer Halle zur
Zwischenlagerung hochradioaktiven Atommülls in Lubmin werden von Betreiber
und Bundesregierung nicht ernsthaft genug umgesetzt.
- Weder Betreiber noch Bundesregierung beantworten die zeitliche Diskrepanz
der Genehmigungen der Castor-Behälter sowie eines Neubaus einer Halle zur
Zwischenlagerung in Lubmin auf der einen und der Verfügbarkeit eines
Endlagers auf der anderen Seite.
- Das Ausweitungsbetreiben der EWN geschieht ohne Rücksicht auf den klaren
parteiübergreifend mehrfach geäußerten politischen Landeswillen, das
Zwischenlager Nord am Standort Lubmin ausschließlich für den Abbau der
Kernkraftwerke in Lubmin und Rheinsberg und als Landessammelstelle zu
nutzen. So droht das Zwischenlager in Lubmin zum atomaren Abfallplatz für
den bundesdeutschen mittel- bis schwachradioaktiven Atommüll zu werden.
Die Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern
beschließt:
- Bündnis 90/Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, unverzüglich ein
bundesweites Zwischenlager-Konzept für hochradioaktive Abfälle zu
erarbeiten. Gleichzeitig müssen alle Zwischenlager unverzüglich so
umgestaltet werden, dass sie gegen nie auszuschließende Terrorgefahr
maximal gesichert sind. Aus unserer Sicht macht das auch den Neubau einer
Halle zur Zwischenlagerung im Zwischenlager Nord in Lubmin erforderlich.
- Bündnis 90/Die Grünen fordern, an allen Zwischenlagern unverzüglich damit
zu beginnen, die technischen Voraussetzungen für Wartungs- und
Inspektionseinrichtungen zu schaffen. Dazu gehört auch am Standort Lubmin
das Vorhalten einer Heißen Zelle, in der defekte Castoren umgelagert
werden können, denn nur so kann gewährleistet werden, dass keine defekten
Behälter transportiert werden.
- Zu Fragen der Sicherheit, Risiken, Betrieb und Zukunft der Zwischenlager
muss es eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte geben. Bündnis
90/Die Grünen fordern daher, die nötigen Impulse und organisatorischen
Voraussetzungen dafür unverzüglich von den zuständigen Gremien,
insbesondere dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE)
und der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) zu geben und zu
schaffen. Eine Mitwirkung des Nationalen Begleitgremiums zur Endlagersuche
(NBG) halten wir für selbstverständlich, weil die Problemkomplexe
Zwischen- und Endlager zusammenhängen.
- Bündnis 90/Die Grünen fordern Bundes- sowie Landesregierung des Weiteren
auf, die Voraussetzungen zur Forschung an Fragen und Risiken der
Zwischenlagerung zu verbessern.
- Bündnis 90/Die Grünen setzen sich auf allen Ebenen dafür ein, dass das
Zwischenlager Lubmin nicht zu einem faktischen Endlager ausgeweitet wird.
Eine unbefristete oder eine langfristige Zwischenlagerung atomarer Abfälle
aus dem ganzen Bundesgebiet und möglicherweise aus dem Ausland am Standort
Lubmin muss unter allen Umständen verhindert werden!
- Bündnis 90/Die Grünen teilen die Ablehnung der Initiativen gegen die
Errichtung eines Bereitstellungslagers zur Konditionierung mittel- und
schwachradioaktiver Abfälle am Schacht Konrad, da hiermit Fakten
geschaffen würden, die den Risiken an jenem Standort nicht Rechnung
tragen.
Begründung
Das zentrale Zwischenlager Nord am Standort Lubmin ist im bundeseigenen Besitz. Einziger Gesellschafter des Betreibers, des Entsorgungswerks für Nuklearanlagen (EWN), ist die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesfinanzministerium. Das EWN hat sich auf die Stilllegung und den Rückbau von kerntechnischen Anlagen spezialisiert und lagert die bei der Behandlung anfallenden radioaktiven Abfälle zwischen. Aufgrund des erworbenen Know-hows beteiligt sich die EWN an der Stilllegung, Demontage und Entsorgung von kerntechnischen Anlagen im In- und Ausland.
Hochradioaktiver Müll wird am Standort Lubmin in der Halle 8 aufbewahrt: insgesamt 74 Castor-Behälter, davon 59 aus dem Kernkraftwerk Greifswald, sechs aus dem Kernkraftwerk Rheinsberg, vier aus dem Forschungsschiff Otto Hahn und fünf aus der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe. Für die staatliche Verwahrung von Kernbrennstoffen mietet der Bund über das Bundesamt für Strahlenschutz drei Stellplätze an. Die genehmigte Gesamtkapazität beträgt 80 Castor-Behälter, was etwa 580 Tonnen hochradioaktiven Abfällen entspricht. Die Halle 8 genügt nicht den Sicherheitsanforderungen gegenüber Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter (SEWD), also der Gefahren- und Terrorabwehr. Damit ist eine andere Lösung für das Zwischenlager notwendig. Ein zwischenzeitlich angekündigtes Konzept wurde vom Betreiber zurückgezogen, ein weiteres, das einen Neubau der Halle zur Zwischenlagerung vorsieht, für 2019 angekündigt. Die Bundesregierung bestätigt, dass selbst bei einer zügigen Umsetzung dieser Pläne keine genehmigungsfähige Zwischenlager-Lösung bis 2024 am Standort realisiert wäre.
Da die Endlagersuche in Deutschland erst begonnen hat und selbst nach zeitlich optimistischen Einschätzungen deutlich nach 2050 ein Endlager zur Einlagerung errichtet sein könnte, besteht in Fachwelt und Politik Einigkeit darüber, dass die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle mehrere Jahrzehnte länger dauern wird, als die 40 Jahre, für welche ihre Betriebsgenehmigungen (für Lager und Castor-Behälter) an den verschiedenen Standorten ausgestellt sind. Die derzeitige Aufbewahrungsgenehmigung gilt bis zum 31. Oktober 2039.
Mittel- und schwachradioaktiven Müll lagert die EWN ausschließlich in den Lubminer Hallen 1 bis 7 zwischen: Als Landessammelstelle für radioaktive Abfälle aus Industrie, Forschung und Medizin und wiederum als zentrales Zwischenlager von Betriebs- und Stilllegungsabfällen der Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg. Dem Antrag auf die Einlagerung von Abfällen aus den westlichen Bundesländern wurde 2005 mit einer Befristung auf jeweils fünf Jahre vor und nach einer Behandlung in Lubmin stattgegeben.
Mit dem Urteil vom 27.11.2014 (Az. 5 A 397/11) hat das Verwaltungsgericht Greifswald das Schweriner Innenministerium verpflichtet, der EWN eine von ihr beantragte Änderungsgenehmigung zu erteilen, die ihr künftig erlaubt, schwach- und mittelradioaktive Fremdabfälle unbefristet zu deponieren. Berufung wurde durch die Landesregierung eingelegt und 2018 kam es zu einem Kompromiss, der die Einlagerung vor und nach der Behandlung am Standort zwar zeitlich befristet, aber auch für bundesweiten mittelradioaktiven Atommüll erlaubt.
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